GIOVANNI BATTISTA PIRANESI

Die Treppe mit Trophäen

Zwei Blätter. Radierung, und Kupferstich
54.4 x 39.9 cm (21 ³/₈ x 15 ³/₄ inches)
Wasserzeichen: Lilie im Kreis (Robison Wz. 5) / ohne erkennbares Wasserzeichen
ca. 1749 / ca. 1761
Robison 34/I (von VI) / Robison 34/V (von VI)


Überblick


Besonders instruktive Gegenüberstellung der beiden höchst unterschiedlichen Druckzustände:

Der superbe Frühdruck aus der seltenen ersten Ausgabe der >Carceri d’Inventione< noch herrlich transparent in der wild vorgetragenen Textur, die vereinzelt sich zu fast undurchdringlich erscheinenden Liniengespinsten verdichtet, um in der fast unwirklich lichterfüllten Szenerie wirkungsvolle, dunkle Akzente zu setzen. 
Mit delikatem Plattenton jedoch noch vor dem ‚ink dabbing‘ auf der Wand am rechten Rand, das charakteristisch ist für die späteren, Ende der 1750er Jahre gedruckten Exemplare.
 
Demgegenüber demonstriert der rußig tiefschwarz gedruckte Abzug der für die Neuauflage von 1761 grundlegend überarbeiteten Fassung, wie weit der Künstler das diffuse Element, das skizzenhaft spontane Konstruktionsprinzip seiner Komposition einem konsequenten Prozess der Metamorphose unterworfen hat. Details sind nun stärker akzentuiert zugunsten einer gesteigerten räumlichen Komplexität, das Licht wird intensiviert, die Schatten zugleich willkürlicher gesetzt. Gänzlich neu hinzugefügt hat Piranesi den gemauerten Pfosten und den Poller mit der Kette am linken Rand.

Mit ca. 7–11 cm bzw. ca. 4-10 cm breiten Papierrändern. Jeweils mit der üblichen horizontalen Mittelfalte. Beide in tadelloser Frische.


Es scheint, als ob Piranesi, nun auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn, im gerade gegründeten eigenen Verlag seine Fähigkeiten zur Erfindung komplexer Raumsysteme und Lichtwirkungen konsequent ausloten und damit auch endgültig zu Grenzen menschlicher Raumvorstellungen vorstoßen wollte.

War die erste Fassung der >Carceri< ohne besondere Resonanz beim Publikum geblieben, so änderte sich dies mit den tiefgreifenden, dramatisierenden Überarbeitungen für die II. Edition. Warum der Künstler diese irrationalen Raumphantasien als ‚Kerker‘ bezeichnet hat, wird wohl nie endgültig zu klären sein. Zweifelsohne hat sich Piranesi intensiv mit Theaterdekorationen des 18. Jahrhunderts, namentlich mit Kerkerkulissen beschäftigt. Mit der nur einem jungen Künstler eigenen Experimentierfreudigkeit werden es bei Piranesi aus der Einbildungskraft des Sujets gewonnene Traumkulissen, Phantasieschöpfungen von grandiosen Palastanlagen eines imaginären Rom.

Von Gradmann als ungeheurer Monolog der Architektur gefeiert, zeitlos und zu jeder Zeit modern, sind es möglicherweise ‚launenhafte‘ Erfindungen der Phantasie mit dem primären Interesse des Künstlers an pathetischen Formen, weitläufigen Strukturen und Raumbewältigungen.

GIOVANNI BATTISTA PIRANESI

Die Treppe mit Trophäen